Viele von uns fahren heute Hybridautos. Sie vereinen das Beste zweier Welten in einem Fahrzeug. Dieselben Prinzipien gelten auch bei der Betrachtung von hybriden Gemüsesorten.
Samen ist das Produkt sexueller Reproduktion
Pflanzen produzieren Samen durch sexuelle Reproduktion: Der Pollen von der männlichen Pflanze befruchtet das Ei der weiblichen Pflanze. Dieses entwickelt sich zu Samen, der den Embryo einer neuen Pflanze enthält. Diese neue Pflanze trägt genetische Merkmale von sowohl der männlichen als auch der weiblichen Pflanze.
In der Natur erfolgt der Austausch von Pollen zwischen Pflanzen derselben Art willkürlich. Pollen wird vom Wind oder durch Insekten verbreitet. Diese unkontrollierte Verbreitung von Pollen wird „offene Bestäubung“ genannt und führt zur willkürlichen Verteilung genetischer Merkmale. Es können erhebliche Abweichungen zwischen den Individuen auftreten, aus denen die Population besteht, und zwar im Hinblick auf Stärke, Höhe, Fruchtbarkeit (Fähigkeit, Samen zu produzieren), Wurzelentwicklung, Stresstoleranz usw.
Das Züchten von Pflanzen begann in der Antike
Seit jeher nutzen Menschen diese große Variabilität innerhalb wilder Populationen von Pflanzenarten, um Pflanzen auszuwählen, die mehr Nahrung, mehr Ballaststoffe, höheren Nährwert, bessere Lagerfähigkeit usw. bieten. Durch selektive Verwendung der Samen von Pflanzen, die mehr Getreide produzieren, einen besseren Geschmack haben und bessere Leistungen erbringen, werden schon seit Tausenden von Jahren produktivere Sorten erzeugt.
Es dauert tatsächlich lang, Sorten zu verbessern, vor allem, wenn man Pflanzen mit mehreren nützlichen Merkmalen züchten möchte. Infolge der willkürlichen Verteilung der genetischen Merkmale ist es schwierig, einzelne Pflanzen zu finden, die über die ideale Kombination von Merkmalen verfügen, wie etwa große Samen, Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten, gute Lagerfähigkeit UND guten Geschmack. Man muss viel Glück haben und mit einer großen Anzahl von Pflanzen arbeiten, um die eine zu finden, die (fast) alle gewünschten Eigenschaften hat.
Wie man eine hybride Sorte erzeugt
Pflanzenzüchter haben viel dazugelernt, seit Gregor Mendel als erster die Grundprinzipien der Genetik anhand von Erbsen in seinem Klostergarten erforschte. Das als Hybridisierung bekannte Verfahren stellt einen Prozess bereit, der es ermöglicht, wünschenswerte Merkmale in einem einzigen Exemplar zusammenzubringen. Und so funktioniert es:
Angenommen, man hat eine offen bestäubte Möhrenpopulation. Einige Pflanzen in der Population bringen wirklich schöne Möhren hervor, sind aber doch anfällig für Blattkrankheiten. Das bedeutet, dass diese Pflanzen in einer nassen Saison keine gute Leistung erbringen. In derselben Population gibt es auch Individuen, die widerstandsfähiger gegen Blattkrankheiten sind, dafür sind ihre Wurzeln aber nur durchschnittlich. So sehr man es auch versucht, man findet keine Pflanzen, die sowohl gute Wurzeln als auch Widerstandsfähigkeit gegen Blattkrankheiten bieten.
Darum macht man nun Folgendes: Man wählt Pflanzen mit guten Wurzeln aus und hält sie vom Rest der Möhren getrennt. Man lässt diese Pflanzen sich untereinander vermehren. Über mehrere Jahre hinweg selektiert man die Pflanzen mit den besten Wurzeln und sortiert den Rest aus. Schließlich erhält man eine Population von Pflanzen mit überwiegend guten Wurzeln.
Dasselbe kann man mit Pflanzen machen, die weniger anfällig für Blattkrankheiten zu sein scheinen. Durch Selektion der gesündesten Pflanzen erhält man schließlich eine Gruppe von Pflanzen mit starken, gesunden Blättern, sogar unter nassen Bedingungen.
Wir nennen die Population der Pflanzen mit guten Wurzeln eine Zuchtlinie und die Population der Pflanzen mit gesunden Blättern eine andere Zuchtlinie. Jetzt lässt man diese zwei Linien auf demselben Feld Blüten hervorbringen, Pollen austauschen und Samen bilden. Diese Samen wachsen zu hybriden Individuen heran, die sowohl gute Wurzeln als auch gesunde Blätter haben. Hybridisierung kombiniert die Merkmale der Elternpopulationen oder Zuchtlinien zu einer neuen hybriden Population oder hybriden Sorte. (Auf Lateinisch heißt diese hybride Sorte, die die erste Generation Nachkommen der beiden Zuchtlinien ist, Filial 1. Daher stammt die Abkürzung F1).
Vorteile von hybriden Sorten
Die strenge Selektion und Inzucht der Elternlinien machen diese Elternlinien einheitlicher. Durch Kombination von zwei stark einheitlichen Zuchtlinien bringt man Hybriden hervor, die auch sehr einheitlich sind. Das bedeutet, dass die Pflanze dazu neigt, vorhersagbar zu wachsen und gleichmäßig zu reifen. Dies bietet Vorteile bei Pflanzenbehandlungen und Ernte.
Die Kombination ausgewählter genetischer Merkmale zu einem Hybrid verleiht dem Hybriden oft zusätzlich Stärke (der Hybrid ist stärker als die beiden Elternlinien kombiniert). Dank dieser Hybridstärke wächst die Pflanze kräftig und bringt größere Erträge hervor.
Erhaltung von hybriden Sorten
Gregor Mendel zeigte, dass die Kombination von Merkmalen hybrider Individuen aufgehoben wird, wenn sich diese hybriden Pflanzen durch ein als Segregation bezeichnetes Verfahren untereinander vermehren dürfen. Dies ist ein Ergebnis der beliebigen Neuanordnung von genetischem Material durch sexuelle Reproduktion. Um also die Produktion derselben Hybridsorte weiterführen zu können, müssen die beiden Elternlinien erhalten werden. Jedes Mal, wenn man die beiden Elternlinien kreuzt, erzeugt man die hybride Sorte neu, die die gewünschten Merkmalen von beiden Eltern trägt.
Verwendung von eigenem Saatgut
Manchmal wird Kritik an der Hybridisierung laut, die hervorhebt, dass Züchter nicht ihr eigenes Saatgut verwenden können, sondern stattdessen jedes Jahr neues Saatgut der Hybridsorte von dem betreffenden Saatgutunternehmen kaufen müssen. Ja, das ist sicher wahr. Hybridisierung ist aber nicht nur die Domäne kommerzieller Saatgutunternehmen. Hobbyzüchter, Gärtner und kommerzielle Erzeuger können bei Erzeugung ihrer eigenen Hybride dieselben Prinzipien zugrunde legen. Es ist einfach nur viel Arbeit und braucht viel Zeit und ein gut organisiertes Team, das die Zuchtlinien erhält, Hybride produziert und sauberes, gesundes Saatgut erzeugt. Gärtner und Züchter, die sich auf die Vorteile von guten, produktiven Hybriden verlassen, sind sich einig, dass dieser jährliche Kauf das Geld wert ist.
Hybride sind natürlich
Bei der Hybridisierung kommen genetische Variationen zum Einsatz, die bei natürlichen Populationen vorkommen. Durch Selektion kann man mehrere verschiedene Zuchtlinien erzeugen, in denen die gewünschten Merkmale konzentriert sind. Durch passende Vermischung verschiedener Zuchtlinien kann man diese Merkmale in einer Vielzahl von Kombinationen miteinander verbinden und eine Palette neuer hybrider Sorten erzeugen.
Hybride sind nicht genetisch modifiziert
Es gibt mehrere Verfahren, die die Entwicklung von durch Inzucht vermehrten Elternlinien und hybriden Sorten erleichtern können, wie etwa Handbestäubung (statt sich auf Insekten oder Wind zu verlassen) und natürlich vorkommende Selbstinkompatibilität oder männliche Sterilität. Unabhängig davon funktioniert Hybridisierung mit dem genetischen Material bei einer Art und beinhaltet keine Verfahren, die das Genom der Art durch Einbringung von DNA anderer Arten modifizieren.
Hybride sind keine Klone. Eine hybride Population besteht aus einer Gruppe von Individuen, die einige wichtige Eigenschaften gemeinsam haben, aber trotzdem gibt es noch eine Variation in beträchtlichem Maße. Schließlich werden die Elternlinien nicht komplett durch Inzucht vermehrt, nur streng selektiert (typischerweise für die Dauer von etwa 6 bis 7 Generationen). Klone sind Individuen, die durch vegetative Reproduktion erzeugt werden (Kartoffeln, Knoblauch, Obstbäume, Weintrauben usw.), während Hybride das Produkt sexueller Reproduktion sind.
Pflanzenzucht kennt kein Ende
Unterstützt wird die Pflanzenzucht durch das zunehmende Wissen über das Pflanzengenom. Wir verfügen jetzt über neue Laborausrüstung, die uns dabei helfen kann, das Erbgut eines Individuums schnell zu entziffern und es ermöglicht, in einem frühen Stadium des Pflanzenwachstums zu bestimmen, welche Pflanzen die für uns interessanten Merkmale haben. Dabei handelt es sich übrigens um dieselbe Ausrüstung, die auch zur Erforschung von Viren und zur Entwicklung von Impfstoffen verwendet wird.
Unser rasch zunehmendes Wissen über das Pflanzengenom und die mittlerweile zur Verfügung stehende automatisierte Analyseausrüstung hilft bei der Entwicklung neuer Sorten, die unter belastenden Umweltbedingungen gedeihen können, mehr Nährwert und besseren Geschmack haben und mit sehr geringem Input gute Produktionsergebnisse erbringen.
Die überlegte, bewusste Anwendung dieser Verfahren wird uns allen zugutekommen.